Ein Porträt von Patrick Burk, dem ersten Mitarbeiter von Bugatti in der Neuzeit.
Sein größter Schatz ist ein Stück Briefpapier. Unbeschrieben, mit Bugatti-Prägung und oben links mit zwei schwarzen Strichen. „Das Briefpapier ließ Ettore Bugatti nach dem Tod seines Sohnes Jean 1939 anfertigen, als Zeichen seiner Trauer“, sagt Patrick Burk. Er bekam es vor Jahren von einem langjährigen Mitarbeiter Ettore Bugattis geschenkt – aus Dankbarkeit für seinen unermüdlichen Einsatz für den Luxushersteller aus Frankreich.
Patrick Burk arbeitet seit 2001 als Facility-Manager bei Bugatti in Molsheim. Damit ist er der Mitarbeiter mit den meisten Dienstjahren. Burk hat sich in der Zeit tief in die Geschichte der traditionellen französischen Firma eingearbeitet. Nicht, weil er es muss, sondern weil ihn die Familie so fasziniert. Der 57-jährige Franzose lebt als einziger Mitarbeiter auf dem Gelände, wohnt hinter dem stolzen Château und der Remise Nord, kümmert sich sieben Tage in der Woche um das Gelände. Für ihn ein Traumjob.
Dabei kam der gelernte Maschinenschlosser, Techniker und Ingenieurassistent nur durch einen Zufall zu seinem heutigen Arbeitsplatz. „In einer Tageszeitung fand ich eine Stellenanzeige als Hausmeister, allerdings ohne Namen der Firma und den genauen Ort. Das hat mich neugierig gemacht und ich bewarb mich“, sagt der gebürtige Straßburger. Er wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen, direkt ins gerade restaurierte Château. „Bei dem Gespräch ging es um meine Qualifikationen in den Bereichen Sanitär, Elektrik, Gartenarbeit und Sicherheit. Erst am Ende verrieten mir die Mitarbeiter der Personalabteilung, dass auf dem historischen Gelände der neue Bugatti-Stammsitz entstehen soll. Ich war begeistert, dass Bugatti wieder ins heimische Elsass zieht“, sagt Burk.
Zu Hause besorgte er sich alle Informationen über die Bugatti-Familie. „Danach war mir klar, dass ich den Job unbedingt haben musste. Bugatti ist eine inspirierende und zugleich kreative, künstlerische und technisch hoch anspruchsvolle Marke, dazu noch Französisch“, sagt Burk. Der Gründer der Marke Ettore Bugatti zog mit seiner Familie 1909 nach Molsheim im Elsass, verkaufte schon ein Jahr später sein erstes Bugatti Fahrzeug. Für den gebürtigen Italiener wurde Molsheim Arbeitsplatz und Heimat zugleich.
Wie bald auch für Burk: Zwei weitere Gespräche innerhalb eines halben Jahres folgten, am Ende konnte sich der Franzose gegen mehr als 300 Bewerber durchsetzen. „Allerdings wusste ich nicht, worauf ich mich einlasse, da bis dahin nur das Château fertiggestellt war und es noch nicht klar war, wie stark das Unternehmen wachsen würde“, sagt Burk. Sein genauer Titel lautet Facility-Manager, was sich nur unzureichend mit Hausmeister übersetzen lässt. Es ist viel mehr: Die ersten vier Jahre sorgt Burk für die Sicherheit rund um den Neuaufbau der Nebengebäude. 23 Hektar mit fünf Gebäuden umfasst das Areal. Dazu kümmert er sich in der Orangerie um exotische Pflanzen wie Zitrusfrüchte und Palmen sowie um das Wild, das auf dem Gelände lebt.
Jeden Morgen um sieben Uhr beginnt der 57-Jährige seine Runde. Kontrolliert Gebäude, Heizungen, Lüftungen und begrüßt die Mitarbeiter. „Nach 18 Jahren kenne ich die Anlage sehr gut, mir fällt jede Abweichung sofort auf“, sagt er. Fehler werden direkt behoben. Notfalls bestellt er Handwerker, die größere Arbeiten erledigen. „Mir ist wichtig, dass das Areal mit seinen Gebäuden in einem sehr guten Zustand ist, nahe an der Perfektion. Es soll sich nicht von unseren Fahrzeugen unterscheiden“, sagt Burk. An denen ist er stets ganz nah dran: Sein Büro liegt im Atelier, dort, wo die Modelle Chiron1 und Divo2 in wochenlanger Handarbeit entstehen.
Im Volkswagen-Konzern ist Burk ein Exot. Wo sich andere Facility-Manager um riesige Produktionsanlagen und Roboter kümmern, ist er mehr eine Art Gutsverwalter. Mit sorgsamem Blick prüft er historische Gebäude, Flora und Fauna. Im Wald stehen fast 250 Jahre alte Eichen, dazwischen leben auf vier Hektar 14 Damhirsche. Dazu verantwortet der ausgebildete Sanitäter und Feuerwehrmann die Bereiche Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz und Brandschutz. Burk sieht sich als Autodidakt. „Ich interessiere mich für viele Bereiche, lerne jeden Tag dazu. Wie den Umgang mit dem Wild und den Pflanzen. Wenn ich morgens meine Runde drehe, den Wald und die Tiere sehe, freue ich mich. Es ist immer ein neues Erlebnis“, sagt er. Für normale Angestellte sei das vielleicht schwierig zu verstehen: „Aber für Bugatti würde ich alles machen. Den Standort habe ich mit aufgebaut, das ist hier ein großer Teil meines Lebens“, sagt er aus voller Überzeugung. Und das, obwohl der Franzose drei Kinder und mittlerweile drei Enkelkinder hat.
Als erster Mitarbeiter von Bugatti kennt er nicht nur die ganze Geschichte des Standortes und der Familie, sondern auch alle Mitarbeiter und einige Kunden. „Neue Mitarbeiter fragen mich meist, wie es hier früher war. Dann erzähle ich ihnen, wie ich hier auf der nackten Wiese angefangen habe“, sagt er. Auch zu langjährigen Kunden pflegt er einen guten Kontakt. Ungewöhnlich für einen Hausmeister. Nicht für Burk. „Anfangs habe ich Kunden am Flughafen abgeholt, ihnen das Areal gezeigt und erklärt. Daraus ist mit manchen eine Freundschaft entstanden“, sagt er.
Regelmäßig steigt der Autofan in einen Bugatti Chiron, fährt mit Mitarbeitern der örtlichen Behörden wie Polizei oder Feuerwehr eine kleine Runde. Damit auch sie erleben können, was für Kunstwerke in direkter Nachbarschaft entstehen. „Sonst ist es schwierig zu erklären, was das Besondere an Bugatti ist: die Schönheit, die Qualität und die Leistung. Einfach das beste Auto der Welt“, sagt er.
Zur Ruhe kommt Patrick Burk an einem ganz speziellen Ort: Wenn er in einem Stuhl unter dem Torbogen aus dem 13. Jahrhundert sitzend auf das Château schaut, genießt er den Ausblick und die Stille. Und kann es dann immer noch nicht glauben, dass das hier sein Job ist. Sein Smartphone hat er aber stets dabei. Es könnte ja etwas passieren. In seiner Firma.
1 Kraftstoffverbrauch, l/100km: innerorts 35,2 / außerorts 15,2 / kombiniert 22,5; CO2-Emission kombiniert, g/km: 516; Effizienzklasse: G
2 Kraftstoffverbrauch, unterliegt nicht der Richtlinie 1999/94/eg, da Gesamtbetriebs-Erlaubnis derzeit noch nicht vorliegt.